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(Sprach-)Barrieren im Internet:
Fallstudien, Kritik und Verbesserungsvorschläge |
Die Idee zum Forschungsprojekt entstand aus persönlichen Erfahrungen heraus. Jana, die seit 2016 als Hilfskraft
im Integra-Programm des International Office der RUB arbeitet, erfuhr in Beratungsgesprächen, oder anderen
Zusammentreffen mit Teilnehmenden, wie z.B. dem Sprachcafé Integra, dass die Informationsbeschaffung zwar ein
wichtiger Bestandteil der jeweiligen Lebensrealität von Asylsuchenden in Deutschland darstellt, sich diese
jedoch als äußerst schwierig in der Umsetzung erweist. So wurde Jana häufig während des Sprachcafés angesprochen
und um Hilfe gebeten, wenn es darum ging, die passenden Internetseiten für unterschiedliche Anliegen zu finden,
oder die Inhalte der jeweiligen Webseiten zu erklären.
Die Problemstellung für unser Forschungsprojekt
ergibt sich aus diesen Beobachtungen:
Menschen, die nach Deutschland migrieren und ankommen möchten,
brauchen dafür unterschiedliche Informationen, kultureller sowie bürokratischer Natur. Durch erschwerte Bedingungen
bei der Informationsgenerierung wird dieses Vorhaben verkompliziert. Teilweise ist es für sie ihnen unmöglich, alle wichtigen
Informationen ohne fremde Hilfe herauszusuchen.
Im Zentrum des Projekts sollten somit folgende Fragen stehen: Wie kommt es zum Entstehen von “Sprachbarrieren” auf
Webseiten? Welche Sprachbarrieren gibt es und wie relevant sind sie? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um
diese zu reduzieren?
Damit verbunden ist natürlich auch die Frage nach den Wünschen der Nutzenden und wie bzw. ob diese integriert werden können.
Erste Zugänge zum Forschungsthema |
Im Sommersemester 2021 erhielten wir einen ersten Zugang zu unserem Forschungsthema. Die ersten Daten bekamen wir durch
einen Data Walk und durch die Nutzung diverser Online-Tools wie Seealsology, OpenStreetMap (OSM) und RAWGraphs.
Data Walk
Mit dem Data Walk sollen Daten identifiziert werden, durch die unser Forschungsgegenstand konstruiert wird. Ziel unseres Data
Walks war es, herauszufinden, ob und, wenn ja, wo Sprachbarrieren in unserem Alltag anzutreffen sind.
Unser anderthalbstündige Data Walk führte uns durch die Bochumer Innenstadt und den Stadtteil Querenburg. Auf
unserem Weg sind wir unter anderem am Bochumer Rathaus, der Ausländerbehörde Bochum, dem Bochumer Hauptbahnhof, der Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie dem Deutsch
als Fremdsprache Bereich (DaF) der Ruhr-Universität Bochum im Speziellen vorbeigekommen und haben diese auf Sprachbarrieren hin untersucht.
Abbildung 5- Route des Datawalks
Abbildung 6- Wegweiser auf dem Willy-Brandt-Platz, Bochum
Abbildung 7- Hinweisschild am Eingang der Bochumer
Ausländerbehördes
Dabei kam heraus, dass uns Sprachbarrieren in verschiedensten Situationen und unterschiedlichen Orten
begegnen können. Für nicht betroffene Personen, also Deutsch-Muttersprachler:innen, sind diese
jedoch nicht immer direkt erkennbar, sondern zumeist erst nach näherer Betrachtung. So sind beispielsweise
Beschilderungen innerhalb der Bochumer Innenstadt meist auf Deutsch formuliert, hier in Bezug auf
Wegbeschilderungen/ Straßennetzbeschreibungen oder auch Informationsbeschilderungen an Büros der
öffentlichen Verwaltung, die als Anlaufstelle für Menschen mit Migrationshintergrund dienen können,
wie etwa. das Ausländerbüro.
Mit
Seealsology können semantische
Verbindungen zwischen Wikipedia-Seiten aufgedeckt und somit Themenzusammenhänge auf Wikipedia ermittelt werden. Diese Darstellung von Netzwerken basiert auf
den gegenseitigen Verlinkungen innerhalb der Internet Enzyklopädie Wikipedia in dem Bereich “Siehe auch” bzw. auf englischen Wikipedia-Seiten “See also”.
Mit der Hilfe von Seealsology haben wir untersucht, ob und welche Zusammenhänge es in Bezug auf unser Thema Sprachbarrieren im Internet gibt.
Bei der Nutzung des Seealsology-Tools ist aufgefallen, dass englisch- und deutschsprachige
Wikipedia-Artikel zur Thematik Sprachbarrieren im Internet nur sekundär vorhanden sind, da
kein direkter Artikel dazu auffindbar gewesen ist, sondern nur zu verwandten Themenfeldern,
wie beispielsweise zu Barrierefreies Internet, Mehrsprachigkeit, Integration von Zugewanderten, leichte
Sprache, Sprach- und Kulturmittler und ähnliches. Die Suche zeigte aber durchaus indirekte Verknüpfungen
zwischen Artikel zu den Themen Sprache, Barrieren und Integration. Interessant hieran ist, dass
die Suche nach englischsprachigen Artikeln mehr Verbindungen und Clusterbildungen erkennen ließ
als die Suche nach deutschsprachigen Artikeln.
Abbildung 8-
Seealsology mit deutschen Begriffen
Abbildung 9-
Seealsology mit englischen Begriffen
Diese Beobachtung verdeutlicht weniger, dass Sprachbarrieren im Internet keine relevante
Problematik darstellen, sondern vielmehr, dass dieses Thema auf Wikipedia kaum diskutiert wird.
OSM (Open Street Map)
OpenStreetMap ist ein frei zugängliches, kollaborative Projekt, in dem Orte und dazugehörige Informationen
eingetragen werden können. Wir haben damit untersucht, ob und welche Daten für Menschen mit
Migrationshintergrund vorhanden sind.
Die Nutzung der freien Geoinformationssoftware ‘QGIS’ mittels derer anhand von OSM-Daten eigene Karten generiert werden konnten,
lieferte uns weitere Erkenntnisse zur Präsenz der Thematik in der öffentlichen Debatte. Was mit dem entsprechenden Tool gefunden
und identifiziert werden kann, hängt nämlich davon ab, wer dieses Tool nutzt beziehungsweise was die Gemeinschaft, die dieses Tool
bearbeitet und bereitstellt, als relevante, zu markierende Punkte oder Aspekte erachtet. So sind zum Beispiel kommerzielle Cafés in
Bochum mit den Begriffen amenity als Key und cafe als Value in OSM zu finden, jedoch keine Sprachcafés wie die des Integra-Programms
oder des IFAK e. V. (Verein für Multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit), da diese in der Karte nicht eingetragen sind.
Dies deutet daraufhin, dass insbesondere Menschen mit Fluchthintergrund nicht in die OSM-Kartenerstellung involviert sind und die Bedürfnisse
dieser Gruppe bei dem Prozess auch nicht berücksichtigt werden.
Abbildung 10-
Erstellung eigener Karten mit 'QGIS' auf Grundlage
der OpenStreetMap
Raw Graphs
Die RawGraphs-Analyse und somit die Visualisierung unterschiedlicher Datensätze hat noch einmal verdeutlicht,
dass Multikulturalismus ein bedeutsames Thema innerhalb der deutschen Gesellschaft darstellt, hier bezogen
auf die Stadt Bochum. Zudem zeigen die von uns gefundenen Statistiken, dass Zuwanderungen beziehungsweise Einwanderungen dynamische
Prozesse sind, die Veränderungen innerhalb der Gesellschaft zur Folge haben. So wurde u.a. ersichtlich, dass
die Zuwanderung aus Syrien in den letzten Jahren zugenommen hat und dass die in Bochum am stärksten vertretenen
Nationalitäten zugewanderter Mitbürger:innen aus der Türkei und aus Syrien stammen.
Außerdem sind auch geografische Verortungsstrukturen /-muster erkennbar geworden, beispielsweise dass in den Stadtbezirken
Querenburg und Wattenscheid-Mitte die meisten ausländischen Staatsangehörigen leben, während in den Stadtbezirken
Eppendorf und Stiepel die Anzahl dieser Gruppe am niedrigsten ist.
Abbildung 11- Staatsangehörigkeiten nicht-deutscher
Bochumer:innen im Zeitverlauf (2012-2020)
Abbildung 12-Räumliche Verteilung der ausländischen
Einwohner:innen in Bochum auf Stadtteilbasis
Im Wintersemester 2021/2022 stießen Studierende der Angewandten Informatik zu unserem Projekt dazu. Im Anschluss
an unsere bisherigen Forschungsergebnisse kam die Frage auf, wie es überhaupt möglich sein könnte, Sprachbarrieren
zu identifizieren. Und ob es darüber hinaus möglich sei, diese in ein” besser oder schlechter zugänglich” zu kategorisieren.
Es erschien uns zudem überaus sinnvoll und geeignet, sich mit den möglichen Nutzungserfahrungen und Vorerfahrungen der Zielgruppe
unseres Forschungsvorhabens auseinanderzusetzen. Das heißt kurz gesagt, auch einmal den Umgang mit Mehrsprachigkeit und Usability
auf ausländischen Webseiten von Behörden und anderen öffentlichen Institutionen zu erkunden. “Usability” lässt sich am besten mit
Benutzerfreundlichkeit oder Gebrauchstauglichkeit übersetzen und meint den Grad, in dem bestimmte Benutzer:innen ein Produkt, zum
Beispiel eine Software oder Webseite, in einem speziellen Kontext effizient, effektiv und zufriedenstellend nutzen. Der Begriff ist
genormt und findet sich in der DIN EN ISO 9241 wieder.
Gestützt auf diesen Zugang, konnte unter anderem Folgendes ermittelt werden:
Es wurden insgesamt vier ausländische Seiten untersucht:
die Webseite der
irakischen Regierung, des
marokkanischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und internationale
Zusammenarbeit sowie von der
türkischen Generaldirektion für Migrationsverwaltung und eine weitere türkische
Verwaltungswebseite.
Die analysierten Webseiten informieren über Verwaltungsdienstleistungen und aktuelle Nachrichten. Alle Seiten werden neben der Landessprache
(Arabisch oder Türkisch) auch in Englisch und zum Teil noch in weiteren Sprachen wie Deutsch oder Russisch angeboten.
Die Webseiten unterscheiden sich in ihrem Design und Aufbau. So verfügen zwar alle Seiten über eine Suchleiste und Menüführung,
jedoch sind die genannten Elemente nicht einheitlich platziert und gestaltet. Auch variiert die Farbgestaltung. Während der
Hintergrund auf allen Webseiten weiß ist, sind die Ränder und Menüleisten in unterschiedlichen Farben wie Rot, Grau und Blau
gehalten. Auch die Schriftart und Schriftgröße variieren.
Für Dienstleistungen kommen zum Teil Piktogramme zum Einsatz. Zudem finden sich auf einigen Seiten Fotos,
meistens von Gebäuden oder Regierungsvertreter:innen. Erklärvideos gibt es auf den Webseiten dagegen nicht.
Kontaktmöglichkeiten werden per E-Mail und teilweise auch per Telefon angeboten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Webseiten zwar unter anderem im Design und Aufbau unterscheiden, jedoch über ähnliche
Bausteine verfügen. Zu nennen sind dabei Kontaktmöglichkeiten, Suchfunktion, Menüleiste, und Sprachwechsel-Button.
Neben den ausländischen Seiten haben wir uns auch deutsche Seiten angeguckt, die mutmaßlich für Studieninteressierte
mit Fluchthintergrund relevant sind. Dazu zählten u.a. die Webseiten der
Ruhr-Universität Bochum,
der
Deutschen Bahn, des
BAMF und der
Stadt Bochum.
Auch diese unterscheiden sich zum Teil deutlich in Aufbau und Design, insbesondere hinsichtlich der Farbwahl und der Textgliederung.
Differenzen bestehen auch in Bezug auf das Sprachangebot. Alle Webseiten sind auf Deutsch und Englisch verfügbar, jedoch gibt es je nach Webseite
noch weitere Sprachen wie etwa Französisch, Türkisch oder Arabisch.
Gemein ist den Webseiten der Gebrauch von Piktogrammen, der Verweis auf verschiedene Social Media-Kanäle sowie die Bereitstellung einer Suchfunktion
und Menüleiste. Letztere ist dabei immer am Seitenanfang zu finden und meist ausklappbar. Zudem bieten alle Webseiten Kontaktmöglichkeiten an, zumeist
per E-Mail und Telefon.
Abbildung 13- Webseite der irakischen Regierung
Abbildung 14- Webseite der konsularischen Dienste von Marokko
Abbildung 15- Das türkische E-Government-Portal 'e-devlet' (dt. 'E-Staat)
Abbildung 16- Webseite des Bundesmin. für Migration und Flüchtlinge
Abbildung 17- Homepage der Ruhr-Universität Bochum
Abbildung 18- Webseite der Deutschen Bahn
Sowohl die deutschen als auch ausländischen Webseiten weisen somit Gemeinsamkeiten hinsichtlich der eingearbeiteten Bausteine an. Insbesondere hinsichtlich
des Designs und der Umsetzung von Mehrsprachigkeit und Usability bestehen aber Unterschiede.Gestaltung und Aufbau einer Webseite scheinen somit teilweise kulturell
geprägt zu sein. Diese Erkenntnis ist für den weiteren Verlauf unseres Forschungsprojekts interessant. Denn sie deutet darauf hin, dass kulturelle Faktoren
nicht nur beim Design, sondern möglicherweise auch bei der Interaktion mit Webseiten eine Rolle spielen.
Diese ersten Ergebnisse bieten uns somit einen vorläufigen Einstieg in das Forschungsfeld. Sie zeigen uns, dass eine Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit und Sprachbarrieren
im Internet in einem Einwanderungsland wie Deutschland durchaus notwendig ist. Trotz der Relevanz unseres Forschungsthemas, gibt es dazu aber nur wenige (statistische) Daten.
Dies deutet darauf hin, dass es in der öffentlichen Debatte kaum präsent ist.
Bislang sind unsere Erkenntnisse jedoch ohne
Beteiligung der Zielgruppe zustande gekommen. Um zu erfahren, was Menschen aus der Zielgruppe tatsächlich an Erfahrungen mit
Mehrsprachigkeit gemacht haben und welche Strategien sie zur Lösung einschlägiger Probleme mit deutschen Webseiten genutzt haben, erschien es uns
unverzichtbar, im folgenden Ablauf des Projekts den Fokus auf eben jene Gruppe zu legen. Ergänzt durch die Perspektive derjenigen,
die für die Erstellung und Betreuung von Webseiten verantwortlich sind.
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