Glossar


Datasprints

Datasprints sind eine Methode der partizipativen Sozialforschung, bei der Menschen, die im Feld involviert sind, mit ihrem Alltagswissen über den Forschungsgegenstand direkt in die Forschung eingebunden werden (= Fallexpert*innen). Ihre Wissensbestände werden dadurch der Forschung verfügbar gemacht und ihre Expertise eingebunden. Datasprints finden üblicherweise durch die Versammlung der Teilnehmenden über einen etwas längeren Zeitraum, zum Beispiel ein Wochenende oder eine Woche, statt (zur Methode insg. Munk et al., 2019). In unserem Projekt trafen wir uns mit unseren Fallexpert*innen der Corona-Pandemie und der begrenzten Zeit im Semester geschuldet jeweils zwei Mal für eine Stunde über Zoom.

Datenerhebung und Datenhandling
Abb. Titelbild, Abb. 1 Akteurslandschaft und Abb. 2 Verbindende Themen auf Twitter

Basis für diese Darstellungen ist ein Twittercrawl vom 20.06.2021. Wir besuchten die uns bekannten Twitter-Accounts der Akteursgruppen in Bochum und betrachteten die letzten 100 Tweets. Das Titelbild stellt einen Ausschnitt der Rohdaten des Crawls dar, wobei größere Cluster farblich hervorgehoben wurden.

Die Datenbasis für Abb. 1 Akteurslandschaft bilden:

  1. bereinigte Hashtags aus Abb. 2 vor Anwendung des unten genannten Filters zur Ermittlung verbindender Themen-Hashtags,
  2. ein Scraping der Webseiten der uns bekannten Initiativen und Gruppierungen,
  3. eine manuelle Sichtung der Webseiten.
  4. Bei Schritt 2 und 3 wurden die Webseiten mit dem Tool Textripper gescraped und entsprechend aufbereitet durch ein Tool nach Häufigkeit ausgezählt. Auf Basis der Themen und Begrifflichkeiten bildeten wir die abgebildeten Kategorien und ordneten die Gruppen und Initiativen zu.


    In Abb. 2 sind themenbezogene Hashtags zu finden, die im Crawl im Zusammenhang mit mehr als einem Akteur*innen-Hashtag aufgetreten sind. Um dieses Ergebnis zu erreichen, wurden folgende Schritte zur Datenbereinigung unternommen:

    • Entfernung doppelt auftretender Ergebnisse
    • Zusammenfassung ähnlicher Hashtags mit marginal unterschiedlicher Schreibweise; Bsp.: seebrücke, seebruecke, Seebrücke, seebrücke Seebrücke, Seebruecke etc.
    • Entfernung von Hashtags mit Namensnennung von Einzelpersonen
    • Entfernung von Hashtags mit Ortsnamen, Regionen etc. bleiben bestehen
    • Zusammenfassung von Hashtags mit gleichem Themenbezug, Bsp.: HambacherForst, HambacherWald, HambiBleibt etc.
    • Entfernung der Hashtags im Themenbereich UEFA 2020
    • Entfernung aller Hashtags, die nur einmal auftreten

    Die Schritte wurden zum Zwecke der Komplexitätsreduktion und mit größtmöglicher Sorgfalt durchgeführt.
    Zur Ermittlung der thematisch verbindenden Hashtags wurde im Visualisierungsprogramm Gephi eine entsprechende Filterkombination angewendet.

Abb. 3 Gemeinsame Begriffe von den Webseiten der Akteur*innen

Basis dieser Darstellung ist ein Textscraping der Webseiten aller Akteure. Die Ergebnisse des Scrapings wurden kumuliert ausgezählt und anschließend wie folgt bereinigt:

  • Begriffe und Derivate wurden zu einem Begriff zusammengeführt und in ihrer Häufigkeit aufsummiert.
  • Nicht auf das Thema Nachhaltigkeit bezogene Begriffe wurden entfernt, Bsp.: „haben“, „Menu“, „Webseite“ etc.
  • Der Begriff „Bochum“ wurde entfernt, weil der örtliche Bezug die Basis der Suche darstellte und die Frequenz von weit über 1000 die übersichtliche Darstellung der Begriffe in der Wortwolke behinderte.
  • Verwendet wurden die 50 häufigsten Begriffe.
  • Auffindbarkeit größer beschriftet und optisch leicht freigestellt.

Abb. 4 Verlinkung auf den Webseiten der Akteur*innen untereinander

Basis der Abbildung ist die Anwendung eines Linkripper auf den uns bekannten Webseiten von Aktiven. Das Tool trägt die Links, die von einer konkreten Webseite aus zu anderen Webseiten führen, zusammen. Die Ergebnisse dieser Suche bearbeiteten wir wie folgt:

  • Zusammenfassung aller Verlinkungen innerhalb der eigenen Gruppe; Bsp.: Scientists for Future (=S4F) Regionalgruppe Bochum, S4F Regionalgruppe Dortmund, S4F D-A-CH
  • Entfernen aller Links, die nicht zu uns bekannten Akteursgruppen gehören
  • Entfernen von Gruppen ohne erkennbaren Bezug zu Bochum, Bsp.: Bündnis Bürgerenergie
  • Die Anordnung erfolgte über einen speziellen Algorithmus in Gephi. Der Knoten, der die Stadt Bochum darstellt, wurde zur besseren Auffindbarkeit größer beschriftet und optisch leicht freigestellt.

Quantitative Auswertung des Twitter-Accounts @bochum_de

Basis der Auswertung sind die 192 Twitter-Handles, denen @bochum_de am 20.7.2021 auf Twitter folgte. Die Accounts wurden einzeln erfasst und eigenständig in Kategorien zugewiesen. So erfolgte auch die Zuordnung der Accounts zur Rubrik „Nachhaltigkeits-Initiativen“ nach eigenem Ermessen. Daraufhin wurde diese Rubrik mit den uns bekannten Aktiven in Bochum abgeglichen und abschließend ausgewertet.

Abb. 5 Arena des Vertrauens

Datenbasis sind hier unsere Datasprints und Einzelinterviews mit unseren Fallexpert*innen sowie die Teilnahme am Gründungstreffen des Bündnisses Zukunftsfähiges Bochum. Die Begriffe in der Arena des Vertrauens sind in Teilen direkt von unseren Fallexpert*innen verwendet worden, in Teilen haben wir Oberbegriffe auf Grundlage der geäußerten Gefühle und Gedanken erstellt, mit denen wir hoffen, die Gesprächsinhalte gut zusammenzufassen.

Abb. 6a-c OSM-Karten

Datenbasis sind hier Pressemeldung 1 und Pressemeldung 2 der Stadt Bochum sowie die OSM-Karte „Mängelmelder“ der Radwende Bochum. Aus dem Mängelmelder sind in unseren Kartendarstellungen alle Mängel außer der Rubrik „Falschparker“ eingetragen. Im Ergebnis zeigen unsere Darstellungen alle Stellen, die zumindest einen vagen Bezug zu baulichen Maßnahmen haben. Die in den Pressemitteilungen genannten Stellen, an denen gebaut bzw. die Radwegsituation verbessert werden soll, sind zum Teil mangels einer genauen Beschreibung geschätzt eingetragen. Tragendes Prinzip hierbei war eine mittlere Auslegung des Ausmaßes der beschriebenen Maßnahmen. Wenn sich zum Beispiel bei einer Straße nicht genau feststellen ließ, von wo bis wo die Arbeiten geplant sind, wurde diese Straße auf halber Länge markiert.

Initiativen

Initiativen sind im Rahmen dieses Forschungsprojektes eine Personenmehrheit von Aktiven, die unter einer konkreten Bezeichnung in einer Gruppe engagieren. Der Begriff dient der Komplexitätsreduktion. Er meint nicht notwendig eine Bürgerinitiative im Sinne einer Interessenvereinigung.


Nachhaltigkeit

Ein grundlegender Gedanke zu Nachhaltigkeit stammt aus dem 17./18. Jahrhundert. Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz ließ einen Wald so bewirtschaften, dass nur so viel Holz geschlagen wurde, wie in vorhersehbarer Zukunft nachwachsen konnte (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2021). Nachhaltigkeit ist danach also ein Handlungskonzept, dass mit der Erhaltung von bestehenden Ressourcen zu tun hat. Seit dem 18. Jahrhundert hat sich in der Debatte viel getan und es gibt inzwischen ganz unterschiedliche Auffassungen und Definitionen, was Nachhaltigkeit ist. Allein die Anzahl verschiedener Perspektiven zeigt die Komplexität des Themas und die Entwicklung, die die Debatte genommen hat. Der Oberberghauptmann von Carlowitz hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass auf Basis der Handlungsleitlinie für seinen Wald einmal diskutiert werden würde, wie Personal möglichst nachhaltig geführt werden kann (Ahlers & Butzer-Strothmann, 2020, S. 217 ff.).

Unter www.nachhaltigkeit.info haben Mitarbeitende der Aachener Stiftung Kathy Beys ein Lexikon der Nachhaltigkeit angelegt, in dem die Entwicklung der Diskussion um die Begrifflichkeit von 2002 bis 2015 nachgezeichnet wird (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2021a).

Trotz der vielen Meinungen und Konzepte lassen sich der Stiftung zufolge einige Kernelemente des Konzepts bestimmen. Diese sind:

  • zeitliche Orientierung an Gegenwart und Zukunft
  • sorgsame Verwendung von Ressourcen, insb. nicht erneuerbarer Ressourcen
  • Sorge für den Fortbestand der Ressource (ebd.)

Nachhaltigkeit als Ressourcenschonung

Im Rahmen unseres Forschungsprojektes verwenden wir häufig den Begriff Nachhaltigkeit, um das Themengebiet zu beschreiben, in dem unsere Forschung angesiedelt ist. Wie sich im Verlauf des Projekts herausstellte, ist der Begriff unter den Aktiven keinesfalls unumstritten. Kritikpunkte sind unter anderem eine Überstrapazierung des Konzepts in den Medien, die Aushöhlung zur einer leeren Wortphrase und die mangelnde Dringlichkeit und Spezifität des Wortes angesichts des Tempos der Entwicklung des Weltklimas. Wir haben uns aus Gründen der Praktikabilität dennoch entschlossen, den Begriff bedeutungsgleich mit Ressourcenschonung zu verwenden, um die Lesbarkeit der Projektergebnisse zu verbessern.

Nachhaltigkeitsziele

Die Ziele von Nachhaltigkeit unterscheiden sich häufig darüber, welchen Ressourcen Priorität eingeräumt wird. Zur Veranschaulichung zeigen wir hier einige Zielkonzeptionen, denen wir während unserer Forschung begegnet sind. Im ersten Datasprint diskutierten unsere Fallexpert_innen unter anderem über die verschiedenen Ausrichtungen ihrer Tätigkeiten im Bereich der Schonung von Ressourcen. Auch beim Gründungstreffen des Bündnisses Zukunftsfähiges Bochum wurde die unterschiedliche Ausrichtung der Teilnehmenden in der Diskussion deutlich.

Abb. 7 17 Sustainable Development Goals, United Nations, 2021a

17 SDG

Die 17 Sustainable Development Goals (oder auch Ziele der nachhaltigen Entwicklung) wurden im Jahre 2015 von der UN-Vollversammlung als Ziele im Bestreben um nachhaltige Politik beschlossen und umfassen eine ganze Palette von Bereichen wie der Bekämpfung von Armut (Ziel 1) und sauberen Energiequellen (Ziel 7) bis hin zu angemessenem Wirtschaftswachstum (Ziel 8) und der Verringerung von Ungleichheit in und zwischen Ländern (Ziel 10) reicht (United Nations Sustainable Development, 2021b). Die SGD stellen einen Handlungsleitfaden für Verwaltungsbehörden in der BRD (Bundesregierung, 2021) und mittelbar für Bochum dar (Stadt Bochum, 2020).

3 Säulen-Modell

Das 3-Säulen-Modell geht davon aus, dass Nachhaltigkeit gleichrangig auf den drei Säulen Wirtschaft , Soziales und Ökologie fußt (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2021b). Im Data Sprint trug ein Teilnehmer jedoch vor, es entstehe in Teilen der Eindruck, dass die Wirtschaft durch das Handeln der Kommune in Bochum häufig aus ihrer gleichwertigen Verpflichtung der Nachhaltigkeit gegenüber entlassen würde.

Abb. 8 Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, Felix Müller, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons (2014)

Abb. 9 Die planetaren Belastbarkeitsgrenzen, Steffen et al. 2015, übersetzt

Planetare Belastbarkeitsgrenzen

Bei den planetaren Leitplanken oder Grenzen geht es demgegenüber darum, die ökologischen Grenzen des bereits belasteten Planeten zu respektieren und innerhalb dieser Leitplanken zu agieren (Stockholm Resilience Center, 2021). Diese Zielsetzung wurde zum Beispiel vom Vertreter von Ende Gelände in die Diskussion eingebracht.

Die unterschiedlichen Prioritäten bieten in der Zusammenarbeit im Zweifel Reibungspotenzial, bemerkenswerterweise war das in unserem Projekt aber weder in den Data Sprints noch im Gründungstreffen des Bündnisses Kernelement der Debatte.